Als „Schatten im Eis“ zum ersten Mal vorgestellt wurde, waren viele Aspekte der Episode noch unentdeckt. Eines war jedoch sicher: Es würde eine Begegnung mit einem tödlichen Gegner aus Tyrias Vergangenheit geben. Ein finsterer Gegner, über den nur geflüstert wird. Ein Monster, auf das die Spieler vor mehr als zehn Jahren in Guild Wars: Eye of the North® einen flüchtigen Blick werfen konnten. Die Kreatur, deren dunkler Einfluss den Nornbären verdarb und eine Reihe an Ereignissen in Gang setzte, die zur Gründung der Söhne Svanirs führte.
Endlich würden wir Drakkar gegenüberstehen.
Fundament aus der Vergangenheit
Spieler, die mit Guild Wars: Eye of the North vertraut sind, erinnern sich vielleicht: Man konnte Drakkar sehen, wenn man sich auf den gefrorenen See begab und unter die Oberfläche blickte. Wenn wir Drakkar nun in Guild Wars 2 zu Gesicht bekommen, wird er anders aussehen. Wie war es, diese bekannte Figur in die Zukunft zu versetzen?
Unser erster Schritt bei der Entwicklung Drakkars bestand darin, unsere technischen Einschränkungen und die gestalterischen Einschränkungen zu definieren, die durch seinen Auftritt im ersten Teil von Guild Wars® festgelegt wurden. Im Spiel hatte man nur einen verschwommenen Blick auf Drakkars Kopf durch das Eis. Wir beschlossen daher, den größten Teil seines Körpers zu verändern, damit er besser zu unserem Skelett, zum Gameplay und zur Story passt.
Die Hauptelemente, die wir vermitteln wollten, waren letztendlich:
- Seine Beziehung zu Jormag.
- Seinen Status als böse, widernatürliche Kreatur.
- Seine Fähigkeit zum Einsatz magischer und physischer Angriffe.
- Ihn glaubwürdig durch Eis schwimmen bzw. schreiten zu lassen.
Um den Jormag-Aspekt zu betonen, haben wir Eiselemente und drachenhafte Merkmale in Form des langen Halses, von Zähnen, Klauen und Eiszapfen in Drakkars Design einfließen lassen. Der seltsam geformte Kopf des ursprünglichen Modells war das einzige Element, das wir übernommen haben, und der Anstoß für das Thema des zerfallenden Wals. Die unregelmäßigen Formen von Drakkars Kopf erinnerten uns an die seltsamen abstrakten Merkmale von Walschädeln. Ausgehend von diesem Punkt erweiterten wir das Thema, indem wir zerfallendes Fett hinzufügten, um ihn „zottig“ aussehen zu lassen. Mit einer Schicht aus Kunstfell wollten wir die arktische Atmosphäre hervorheben. Die grobe Idee ist, dass Drakkar den Elementen ausgesetzt war und zerfiel, nachdem sein gefrorener See geschmolzen war. Übrig blieb nur noch seine Verbindung zu Jormag, die ihm Antrieb verleiht.
Als die grafische Gestaltung der Kreatur feststand, war es an der Zeit herauszufinden, wie Drakkar mit den Spielern interagieren würde.
Animation des Monsters
Drakkar zu animieren war ziemlich unkompliziert. Die Grundform der Arena, die Konzeptgrafik des Bosses und sogar sein Skelett standen bereits vor Beginn der Animationsarbeiten fest. Da die Erstellung neuer Skelette zeitaufwendig ist, entschieden wir uns, für alle Animationen Drakkars das neue Aurene-Skelett zu verwenden. Von unserer Kreaturenabteilung erhielten wir eine grobe Skulptur von Drakkar für die Animation. Wir konnten nun loslegen.
In den ersten Tagen der Animationserstellung skizzierten wir zusammen mit dem Design-Team rasch alle Bewegungen und Angriffe. Wir implementierten alle diese groben Animationen als Prototypen für Angriffe und schauten uns dann an, was funktionierte und was nicht. In der Prototypphase wurden manche Angriffe verbessert oder komplett verworfen, während andere hinzugefügt wurden, um den Anforderungen des Kampfes gerecht zu werden. Als wir uns auf das endgültige Design festgelegt hatten, begann der lange Prozess der Erstellung ausgefeilter Animationen. Das bedeutete, dass es an der Zeit war, das VFX-Team einzubeziehen.
Eine Reihe von Effekten
Das „Visual Effects“-Team (VFX) stand während der Entwicklung vor mehreren Herausforderungen. Nach dem anfängliche Kickoff-Meeting verstanden wir, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit von Grafik- und Design-Teams für die Entwicklung eines komplexen, grafisch beeindruckenden, mehrstufigen Bosskampfes ist, der viele visuelle Effekte enthält. Das Design-Team lieferte bereits früh grobe VFX-Anforderungen und im Laufe des Entwicklungsprozesses arbeiteten wir mit den übrigen Grafik-Teams spezifische Anforderungen sowie das allgemeine Aussehen aus und spielten den Kampf durch, der vor unseren Augen Gestalt annahm.
Das Thema des Kampfes war Eis, also mussten wir bezüglich der Farbtheorie klug vorgehen. Die Teams für Kreaturen und die Umgebung unterstützten uns mit frühen farbigen Blockelementen bei der Entwicklung, damit wir vor Fertigstellung der endgültigen Materialien mit der VFX-Erstellung beginnen konnten. Am Ende bauten wir sowohl helle als auch dunkle Farbtöne, Eis, zerfallenden Glibber und magische Energie in Drakkars Fähigkeiten ein, um sie im Kontrast zu Eis, Drakkars Modell und bei wechselnden Lichtverhältnissen sichtbar zu machen.
Wir wussten bereits früh, dass Drakkar hinter Eiswänden schwimmen und sie durchschreiten sollte. Diese einfache Anforderung stellte das VFX-Team vor zahlreiche besondere Herausforderungen. Eine dieser Herausforderungen war die Entwicklung einer neuen Shader-Technologie. Nachdem wir mehrere Ideen geprüft hatten, entschieden wir uns für die Entwicklung eines neuen Eiswand-Shaders. Er sollte als Fundament dienen, das durch eine weitere komplexe Shader-Logik zur Simulation von Tiefe, lebensechter Animation sowie zur abgestimmten Steuerung für konsistentes Gameplay ergänzt werden konnte.
Drakkars Schatten entwickelte sich im Laufe des Entstehungsprozesses von einer einfachen nebelartigen Kugelform zu einem komplexen animierten Schatten, während der neue Eis-Shader heranreifte. Mithilfe einfacher Animationen von Drakkars Modell, durch den cleveren Einsatz von Tiefenkarten-Rendering zur Erstellung von Bildfolgen und durch das sorgfältige Timing der visuellen Effekte zu Drakkars Animationen gelang es uns, Drakkar beim Durchschreiten von Eis und beim Schwimmen so flüssig darzustellen, wie wir es uns vorgestellt hatten.
All das war nötig, um unsere hochgesteckten Ziele für die Gestaltung des Kampfes zu erfüllen.
Die Gestaltung des Kampfes
Der erste Schritt bei der Erstellung des Kampfes gegen Drakkar bestand darin, unsere vorhandenen Weltbosse unter die Lupe zu nehmen und uns ein paar schwierige Fragen zu stellen. Mit welchen Dingen können wir unsere ständig besser werdenden Spieler auf Trab halten und welche Fallgruben können wir meiden, indem wir aus der Vergangenheit lernen? Während des anfänglichen Gestaltungsprozesses halfen uns solche Fragen bei der Identifizierung mehrerer Ziele für den Kampf:
- Die Spieler sollen sich bewegen.
- Die Sprache der Kampfmechaniken von Schlachtzügen und Angriffsmissionen soll in der offenen Welt vermittelt werden.
- Trotz-Leisten sollen erforderlich sein.
Und am wichtigsten …
- Der Boss soll sich dynamisch anfühlen.
Das letzte Ziel hielt unsere größte Hürde bereit: Die Darstellung von Drakkars Fähigkeit, sich durch das Eis zu bewegen. Um zu verstehen, warum das so schwierig war, muss ich zunächst erläutern, wie Weltbosse erschaffen werden.
Bosse wie die Klaue von Jormag, Tequatl oder der Zerschmetterer werden von uns intern „Requisitenbosse“ genannt. Sie sind Akteure in der Welt, die wie eine Kreatur aussehen, sich jedoch völlig anders verhalten als gewöhnliche Gegner. Requisitenbosse sind beispielsweise ortsgebunden, es sei denn, ihre Animation sieht vor, dass sie sich an einen anderen Ort bewegen (z. B. beim Übergang in die zweite Phase des Kampfes gegen die Klaue von Jormag). Solche Animationen sind sehr teuer und lassen bei einem engen Zeitplan nicht viel Spielraum für Überarbeitungen. Wenn man also möchte, dass sich ein Requisitenboss auf herkömmliche Art und Weise bewegt, bedeutet das ein ganzes Stück Arbeit für die Grafikabteilung. Wie haben wir das also geschafft? Mit allerlei Tricks.
Wenn ihr gegen Drakkar antretet, kämpft ihr nicht gegen einen einzigen Requisitenboss. Ihr kämpft gegen 17 Requisitenbosse, die alle mit einer Hauptsteuerung kommunizieren. Diese Hauptsteuerung gibt den Bossen vor, wann sie vorrücken und angreifen, wie viele Lebenspunkte sie haben sollten, welche Angriffe sie verwenden und wann sie verschwinden. Mithilfe dieser Entwicklungsstrategie waren nicht mehr für jede Bewegung Animationen nötig. Stattdessen läuft es wie folgt ab: Wenn die Steuerung einem Requisitenboss vorgibt zu „lauern“ (wegzugehen), entscheidet sie, wo Drakkar als Nächstes erscheint, und startet eine Effektsequenz, bei der man sieht, wie sich Drakkars Schatten durch das Eis bewegt. Nach Ablauf der Sequenz gibt die Steuerung dem nächsten Requisitenboss das Signal zum Hervortreten. Außerdem bewirkt sie, dass seine Lebenspunkte auf den richtigen Wert gesetzt werden und er zu kämpfen beginnt. Dank dieses Systems und der Hilfe des Animations- und VFX-Teams konnten wir so viele Drakkars auf dem Schlachtfeld platzieren, wie wir wollten, und sie alle miteinander verbinden, um das Gefühl eines sich fortbewegenden, agilen Monsters zu schaffen.
Wie ihr seht, haben alle Teams ziemlich große Anstrengungen unternommen, um Drakkar Leben einzuhauchen. Vom ersten Mal, wenn er das Eis durchbricht, bis zum Augenblick seiner Niederlage – für dieses monströse Unterfangen war die Koordination aller Disziplinen notwendig, die zusammenarbeiteten, um sicherzustellen, dass am Ende ein Erlebnis dabei herauskommt, das anders ist als alles, was wir bisher erschaffen haben. Wir hoffen, dass ihr beim Erlegen dieser legendären Bestie genauso viel Spaß habt wie wir bei ihrer Entwicklung. Und jetzt geht da raus, Kommandeur – die Welt muss gerettet werden!