Musikalisch gesehen, ist Löwenstein nicht einfach einzufangen. Gerade als die Identität der Stadt anfing, Konturen anzunehmen, passiert etwas Schreckliches und alles wird wieder zunichte gemacht. Fans des ersten Guild Wars erinnern sich noch, dass Löwenstein ursprünglich die Hauptstadt der Menschen von Kryta war. Erst durch den Alt-Drachen Zhaitan änderte sich das, denn als er erwachte und sich Orr mit ihm erhob, wurde das alte Löwenstein durch eine massive Flutwelle zerstört.
Jedoch wurde Löwenstein als freie Stadt wieder aufgebaut. Als Handelsknotenpunkt für alle Völker Tyrias, versprühte Löwenstein bald den Charme einer lebendigen Hafenstadt voller Piraten, Schmuggler und anderer Freidenker, die so recht nirgendwo anders hinpassen.
Alles schien friedlich, bis Scarlet und ihre Diener auftauchten. Die Schlacht um Löwenstein zerstörte die Stadt erneut. Sie flog mit ihrem Luftschiff, der Bruchbringer, über das neue Löwenstein und begann tief in den Boden unter der Stadt zu bohren, um eine unterirdisch verlaufende Ley-Linie zu stören.
Kann Löwenstein sich von einer weiteren Katastrophe erholen? Das wird sich noch zeigen, aber die Chancen stehen nicht schlecht.
Als die Staffel 1 der Lebendigen Welt abgeschlossen wurde, erfuhr ich vom Schicksal der Stadt. Danach wusste ich sofort, dass Löwenstein eine neue Melodie brauchen würde, die das beschwerliche Schicksal der Stadt widerspiegelt. Die Musik, die bisher in der Stadt zu hören war, stellte eine Mischung aus Lebendigkeit und Melancholie dar. Bisher fing dies die Stimmung der Stadt gut ein, aber da sie jetzt in Ruinen liegt, kann davon keine Rede mehr sein. Nach einigen Überlegungen entschied ich mich, etwas zu komponieren, dass die gesamte Geschichte der Stadt erzählt und das alte sowie das neue Löwenstein miteinander verbindet.
Das Stück startet mit einer Art Fanfare – langsam und bedrückend – und gibt den Ton für die traurige Geschichte an, die durch die Musik erzählt wird. Ab da setzt eine Oboe ein, die sanft die Melodie von „Sands of Kryta“ spielt, ein Stück aus Guild Wars Prophecies, das sehr stark mit dem alten Löwenstein assoziiert wird. Ausgebuffte Spieler haben vielleicht sogar bemerkt, dass dieses Lied noch an einer anderen Stelle in Guild Wars 2 vorkommt. Wenn man tief in die Gewässer vor Löwenstein abtaucht, findet man die Ruinen des alten Löwensteins und das Lied „Sands of Kryta“ setzt langsam ein.
Wenn die Melodie allmählich zu ihrem Höhepunkt kommt, setzen die Bläser in einem dissonanten Akkord ein und deuten das Ende des alten Löwensteins an. Das Tempo wird langsamer und eine Solo-Klarinette deutet die Melodie von „The Sea of Sorrows“ – der Titelmusik des wiedererrichteten Löwensteins in Guild Wars 2 – an. Bevor sie das Stück jedoch beenden kann, gibt es einen abrupten Wechsel zu den ersten Noten von „Scarlet’s Theme“ und läutet dadurch ihre Ankunft ein. Die Trommeln schlagen weiter und der tiefe Bass erklingt. Sie repräsentieren die Vernichtung der Stadt durch Scarlets Hand. Während die Intensität der Musik immer wieder zunimmt und dann abfällt, setzt eine Solo-Trompete ein und spielt die ersten Strophen der Titelmelodie von Guild Wars, welche eine Reminiszenz an „Taps“ darstellt, den traditionellen Trauermarsch der U.S. Armee.
Die Musik beginnt erneut und wiederholt die neue Titelmelodie Löwensteins. Dabei nimmt die Melodie immer weiter an Intensität zu und baut sich weiter auf. Bald darauf erreicht sie einen triumphalen Höhepunkt und das gesamte Orchester setzt ein. Der tiefe Bass spielt kraftvolle Akkorde und ist nicht länger so düster und bedrohlich. Die Streicher, Bläser und Trompeten lassen noch ein letztes Mal die Titelmelodie erklingen. Die Trauer und Zerstörung, die Scarlets Angriff hinterlassen hat, können es nicht mit dem Willen der Menschen von Löwenstein aufnehmen. Die Stadt ist schon einmal aus dem Abgrund auferstanden und wir wissen, dass sie die Kraft hat, es auch ein zweites Mal zu tun.
Die Fanfare, die das Stück bereits eingeleitet hat, erklingt noch einmal, um es abzuschließen; doch diesmal wohnt ihr eine ruhige Stärke inne. Ganz egal, welches Übel Löwenstein auch heimgesucht hat, diese Stadt hat es überwunden und wird es auch diesmal schaffen.